Nina Katzemich hat unter anderem fünf Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin für die GRÜNEN-MdB Schewe-Gerigk gearbeitet. Seit Mai 2009 widmet sie sich bei LobbyControl insbesondere der Arbeit über den Lobbyismus in Brüssel.
Teil XIV der Serie zum EU-Lobbying.
V//T: Frau Katzemich, LobbyControl ist ein gemeinnütziger Verein, der – so ist es auf seiner Website zu lesen – über „Machtstrukturen und Einflussstrategien in Deutschland und der EU aufklären will“ und „Impulse für Transparenz, eine demokratische Kontrolle und klare Schranken der Einflussnahme auf Politik und Öffentlichkeit“ liefern möchte.
Es geht LobbyControl also nicht darum, Interessenvertretung grundsätzlich zu ächten. Aber was ist aus Ihrer Sicht nicht hinnehmbar und wie stellen Sie sich konkret die zitierte demokratische Kontrolle und die klaren Schranken der Einflussnahme vor?
NK: LobbyControl ist nicht gegen das Einbringen von Interessen und Bewertungen durch Interessengruppen in die Politik per se, auch wir sehen, dass dies in einer pluralen Demokratie notwendig ist. Für uns gibt es, grob gesagt, drei Problemfelder, die es zu bearbeiten gilt:
1. Mangelnde Transparenz: Bürgerinnen und Bürger wissen nicht, wer mit welchem Geld wessen Interessen in der Politik vertritt. Wir streiten daher auf deutscher und auf europäischer Ebene für verpflichtende Lobbyregister für alle Lobbyakteure. Europa ist hier schon einen guten Schritt weiter gekommen, aber immer noch ist das Lobbyregister von Kommission und Parlament freiwillig und zentrale Lobbyakteure fehlen oder machen unzureichende Angaben.
2. Ungleiche Zugänge: Wir kritisieren auch, dass heute wirtschaftliche Interessen gegenüber anderen, z.B. den Interessen von Verbrauchern, einen privilegierten Zugang zur Politik haben. Dies hat zahlreiche Gründe. Unterschiedliche Ressourcen spielen dabei eine wichtige Rolle – so können beispielsweise Kontakte und Strategien über große Lobbyagenturen gekauft oder gleich ehemalige Politikerinnen und Politiker für ein hohes Gehalt engagiert werden.
Unter anderem fordern wir daher eine dreijährige Abkühlphase für Politikerinnen und Politiker, die in Lobbytätigkeiten wechseln möchten. Auch Parteispenden und exklusive Lobbyveranstaltungen sind Mittel, um sich Parteien und Politiker gewogen zu machen – wir fordern daher, Parteispenden noch transparenter zu machen und auf 50.000 Euro pro Partei und Spender/-in zu begrenzen. Parteisponsoring sollte wie Parteispenden behandelt werden. Einladungen an Abgeordnete müssen ebenfalls begrenzt werden.
3. Zunahme fragwürdiger Strategien: Gerade in Brüssel sind diese an der Tagesordnung. Lobbyagenturen täuschen im Auftrag von Unternehmen zu einem bestimmten Thema Bürgerinitiativen vor, Denkfabriken geben im eigenen Namen Studien heraus, deren wahre Auftraggeber unbekannt bleiben. Bürgerinnen und Bürgern wird so mit Absicht eine falsche Neutralität vorgetäuscht. Auch in Berlin beobachten wir, dass auf solche Strategien zurückgegriffen wird. Derartige bewusste Täuschungsmanöver müssen sanktioniert werden.
V//K: Die Europäische Kommission hat nicht den Anspruch fachlicher Allwissenheit, sondern versteht sich eher als professionelle Organisatorin eines Verwaltungsverfahrens, das die systematische Berücksichtigung von Argumenten aller relevanten Interessengruppen organisiert. Sehen Sie auf der EU-Ebene trotzdem ähnliche Probleme wie bei der Interessenvertretung in Deutschland?